[Serdar Akın] „…Und Besê Adaman erzählte die Geschichte jenes Mannes, der selbst zum Galgen schritt, den Henker fortstieß und sich den Strick um den Hals legte, der starb, ohne gebetet zu haben, weil sein ganzes Leben ein Gebet gewesen sei. Betet nicht mit den Knien, sondern mit den Herzen…“ Diese Passage des Buches, in der Eggers ein Stück Geschichte der Aleviten für den deutschsprachigen Leser aufdeckt bildet keine Ausnahme. Immer wieder und immer tiefer dringt der Autor in der Rolle des Rechtsanwalts Schlüter in diese, für viele noch verborgene Welt ein. Eine Folge seltsamer Ereignisse ist es, die den Hauptcharakter in die Welt der Aleviten nach Anatolien zu den Zaza in Dersim führt. In die Stadt, die man lieber Tunceli nennen sollte wie der Leser später erfährt.

 

„Paragraf 301“ ist wahrlich mutig! Vom Vorwort bis zur letzten Zeile. Als es von dem Schicksal des Seyit Riza erzählt und ebenso wenn es über die Leere im Leben der Menschen klagt. Mutig! Anders ließe sich eine Krimihandlung wohl auch nicht in ein alevitisch - anatolisches Milieu platzieren.

 

Ebenso ist es sehr kurzweilig. Eggers führt den Leser in einem sehr direkten Stil von Szene zu Szene. Die einzelnen Stränge werden schließlich geschickt zusammengeführt und münden in einem packenden Finale. Für die Charaktere bietet die interessante Konstruktion rund um die Situation eines illegal in Deutschland lebenden Aleviten und des Asylgesuches eines Nationalisten den Rahmen zu einer Redefinition ihrer Werte und Normen. Eine Reise, die auch dem Leser im positiven Sinne nicht erspart bleibt.

 

Der inflationäre Gebrauch des Wortes „Tee“ schließlich sorgt dafür, dass auch jeder Mensch mit anatolischem Migrationshintergrund (also jede / -r potentielle Wiederholungstäter, wenn es um den intensiven Konsum dieses Heißgetränks geht) sich schnell heimisch fühlt in diesem Buch.

 

Die Lektüre des Buches lohnt in jedem Fall. "Pragraf 301" wurde übrigens nominiert für den "Glauser" Hauptpreis als bester Kriminalroman des Jahres 2008.

 

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