Dr. Zeynep Arslan

 

Am 25. Februar 2010 hatte ich die Ehre mit Prof. Eichner ein Interview über die Frage, ob das Zazaki ein Dialekt des Kurdischen oder eine eigene Sprache ist, zu führen. Prof. Eichner ist Sprachwissenschaftler, Indogermanist und ehemaliger Lehrbeauftragter am Institut für Sprachwissenschaften an der Universität Wien. Im Interview gab Prof. Eichner mehrmals an, dass er „diese Dinge aus der Perspektive der historischen modernen Sprachwissenschaft“ betrachtet und analysiert. Er meint: „Für uns ist es interessant, dass wenig erforschte Sprachen hier in Wien und Österreich sehr viele SprecherInnen repräsentieren und, dass man da eine ideale Studienmöglichkeit hat“. Prof. Eichner ist der Meinung, dass die Sprachen Kurmanji (nordkurdischer Raum/Ost-Türkei) und das Zazaki „beide sehr schlecht erforscht sind“. „Sie werden erst in jüngerer Zeit erforscht“ und „Es ist keine, auch keine gut aufgearbeitete, Überlieferung vorzufinden. Bei Zaza kommen wir etwas zurück bei Kurmanji etwas weiter. Da ist eine gewisse Lücke da“. (verstehe das Zitat nicht wirklich. Bei welcher Sprache gibt es eine Überlieferung bei welcher nicht. Handelt es sich um einen zeitliche Lücke? Nicht eindeutig klar was hier gesagt wird) Prof. Eichner weist darauf hin, dass  sich der aktuelle Status  dieser Sprachen in der Türkei  verändern wird (wann?) und es daher sinnvoll ist, wenn auch „sprachwissenschaftliche Fachkenntnisse mit einfließen können“ wo fließen die mitein? Über all das und noch mehr haben wir im folgenden Interview gesprochen:

 

Können Sie klar festlegen, ob das Zazaisch ein kurdischer Dialekt, eine eigene Sprache oder sogar das Ur-kurdische ist?

 

Es sind zwei Dinge zu unterscheiden. Einerseits die Sprache als Sprachsystem mit ihrer Geschichte und andererseits die Sprecher der Sprache. Da sind sehr viele subjektive, politische und sonstige Gesichtspunkte mit dabei, die ich von der Sprachwissenschaft aus gar nicht entscheiden kann.

In der Sprachwissenschaft ist es so, dass es verschiedene Richtungen gibt.

 

Wir haben vor allem in Russland vertretene Kurdologen, die Zaza zum Kurdischen rechnen. In Nova und Eyyubi heißt es „Der kurdische Dialekt Zaza“.

Die Vertreter dieses Konzepts gehen davon aus, dass Zaza und Kurdisch gemeinsam stärker sind, als wenn sie getrennt werden.

In der sowjetischen und russischen Linguistik gibt es  eine starke kurdologische Tradition. Daraus ergibt sich die Möglichkeit Zaza (als was?) mitzubetreiben, das sonst nirgends betrieben wird. Daher wird es in der russischen Linguistik als Dialekt des Kurdischen geführt.

 

In der westlichen wie auch in der türkischen und einheimischen Betrachtung ist das anders.

Hier versucht man die beiden Sprachen zu trennen. Sie finden eine relativ gute Beschreibung der Diskussionen auch der Konflikte, die es zwischen Vertretern der Kurden- und der Zazabewegung gibt, im Buch von Zülfü Selcan. Dieses nennt sich zwar „Grammatik der Zaza Sprache“, hat aber eine sozio-linguistische Einleitung, in der diese Punkte besprochen werden.

 

Die Sprachwissenschaft muss natürlich beide Sprachen beurteilen und zurückverfolgen.

Diese Beurteilung stellt klar, dass Kurmanji und Zaza  gegenseitig nicht verständlich sind. Es sind also verschiedene Sprachen.

Von der Struktur und vom Wortschatz her haben sie vieles gemeinsam, sind aber doch sehr verschieden. Also haben wir  eindeutig zwei verschiedene Sprachen mit einer voneinander unabhängigen Geschichte.

 

Für beide Sprachen können wir keine direkten Vorstufen aufweisen.

Was wir in diesem Nordwest-iranischem Bereich aus älterer Zeit haben, ist ein bisschen fragmentarisch; die Vorstufe sind nicht direkt erhalten.

Man sieht eine gewisse Affinität zum Parthischen (Mitteliranisch Z. A.). Aber das Parthische ist anders gebaut. Es kann also nicht die Vorstufe sein.

Zum Beispiel gibt es im Parthischen kein Femininum, das es aber sowohl im Kurmanji wie im Zaza gibt. Das heißt es ist nicht abstimmbar.

Dieses Femininum ist ein altes Erbe, so wie im Deutschen. Das zeigt schon, dass wir keine Vorstufe haben. Jetzt ist die Frage, worauf geht Zaza zurück und worauf geht Kurmanji zurück? Wir kommen  auf verschiedene Sprachgeschichten. Das wird  intensiv   in der Linguistik erforscht.

Der Aufsatz „Die dialektale Stellung des Zazaki“ beschäftigt sich mein Kollegen Jost Gippert mit der   dialektale, iranistische Dialektgeographie im Großen und Ganzen. Besser wäre es, hier von der sprachlichen Stellung des Zazaki zu sprechen.

Gippert kommt auf bestimmte Sprachverwandtschaften. Auch seine Schülerin Agnes Korn stimmt mit ihm überein. Sie war zunächst bei uns im Sprachinstitut. Sie hat in Wien promoviert und ist bei Gippert, der ihr Doktorvater war, Assistentin geworden Der Titel ihrer Dissertation lautet „Zur historischen Grammatik des Belutschi“ (Belutschi ist eine nordwest-iranische Sprache Z. A.). Darin untersucht sie speziell Belutschi, Kurmanji und Zaza und stellt  gewisse Gemeinsamkeiten fest. Die Forschung ist also im Fluss. Es wird  immer mehr klar, dass Kurmanji und Zaza getrennte Größen sind und zwar schon immer. Deshalb ist es bei uns üblich diese beiden Sprachen auseinander zu halten.

 

Wie sieht es nun mit dem Kurmanji aus?

 

Das Kurdische gehört  zur nordwest-iranischen Sprachfamilie. Es ist auch verwandt mit  Zaza, aber nicht so eng verwandt, dass man sagen könnte, dass es sich um zwei Dialekte einer Sprache handelt, die sich auseinander entwickelt haben. Ihre Einheit liegt tausende Jahre weit zurück. Es ist keine aktuelle Aufgliederung in zwei Sprachzweige. Wir haben ja dieses Stammbaumdenken. Stammbäume werden gezeichnet und da gehört Zaza nicht in den Stammbaum des Kurdischen hinein.

 

Kann man sagen, dass Zaza das Ur-kurdische ist?

 

Nein, das kann man nicht sagen.

 

Was sagen Sie zu Indien. Dort verstehen sich die Menschen auch nur mit der Kolonialsprache, Englisch, aber ihre Sprachen werden Indisch genannt?

 

Nein, man hat da Unterklassen.

 

Sind die Sprachen, welche in Indien gesprochen werden insgesamt als die „Indischen Sprachen“ zu bezeichnen?

 

Ja, das sind indische Sprachen. Da gibt es die travidisch indischen Sprachen, indo-arische und Munda Sprachen und austro-asiatische Sprachen. Alle sind in diesem Oberbegriff “Indisch“ vereinigt.

 

Die Sorani (Sorani wird vor allem im Iran und im Irak gesprochen und zählt zu den kurdischen Dialekten. Z. A.) und die Kurmanji Sprechenden verstehen sich auch nicht. Ist Sorani eine eigene Sprache oder ein Dialekt?

 

Ja, die beiden Sprachen lassen sich als verschiedene kurdische Dialekte auffassen. Sie haben mehr Gemeinsamkeiten.

 

 

Können sie das begründen?

 

Wenn ich ihnen einen Text in beiden Sprachen vorlege, zum Beispiel ein Märchen, dann verstehen sie diesen Text besser, als wenn ich ihnen das Märchen in Zaza vorlege.

 

Kann man anhand der Sprache die Nationalität oder Volksgruppen benennen und unterscheiden?

 

Wir haben in der Sprachwissenschaft  die Sprachträger. Es ist zunächst einmal wichtig, dass es im Gebiet der Osttürkei nicht ausschließlich ZazasprecherInnen gibt. Es ist eine ethnisch, sprachlich und religiös gemischte Region.  

Es gibt manchmal Gebiete zum Beispiel wie Armenien, wo über 90 % Armenisch sprechen. Das ist ein relativ homogenes Sprachgebiet.

Die Osttürkei weist ein weitgehend multiethnisches-multilinguales Kontinuum auf. Oft sind auch die Familien sprachlich gemischt. Es ist nicht eindeutig.

 

Würden Sie die Region Dersim als Zaza-Gebiet bezeichnen?

 

Zülfü Selcan tut das. 

 

Kann man Kurden und Zazas zu getrennten Volksgruppen zählen?

 

Als Linguist kann ich das immer nur von der Sprache aussehen und beurteilen. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht kann ich nur sagen, dass die neuesten Studien es immer mehr erhärten, dass Zaza und Kurdisch zwei verschiedene Sprachen sind.

Nun stellt sich  die Frage: Wo gehört das Zaza hin, wenn es  dem Kurdischen nicht so nahe ist?

Es ist also noch nicht eindeutig entschieden. Es gibt da verschiedene Richtungen in der Linguistik.

 

Man versucht jetzt Dialekte, die im Iran nördlich von Teheran, in der Nähe des kaspischen Sees zuhause sind,  stärker mit Zaza zu vergleichen.

Hier heißt es abwarten, zu welchem Ergebnis diese Forschungen kommen.