Rede gehalten am 4. Mai 2010 auf der Gedenkfeier des Völkermordes [Tertele] in Dersim 1937/38

Sehr verehrter Pir Ali Çiçek, sehr geehrter Herr Bezirksbürgerbürgermeister Dr. Hanke, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zazas aus Dersim/Tunceli und liebe Freunde Dersims, liebe Berliner!

Im Untergang des osmanischen Reiches und in der Gründung der jungen türkischen Republik wurden die Weichen gestellt, die in Dersim in den Völkermord 1937 und 38 mündeten und der in Zazaki, der Muttersprache der Zaza als „Roza Şiae“ (roca siae), der „Schwarzer Tag“, umschrieben wird.

Die Jungtürken verwandelten im Zusammenbruch den Weltherrschaftsanspruch der Osmanen in eine Lebensraumtheorie. In ihr reichte die neue Türkei vom Goldenen Horn, über die Erdölfelder Mossuls, Bakus und Batumis bis Afghanistan, Turkmenistan zum heutigen Usbekistan. Die Lebensraumtheorie schloss notwendigerweise Ostanatolien ein, ist es doch eine natürliche Brücke zu den Ölfeldern. Dieser Lebensraum ist ein ideologisiertes Phantasma und als „turanisches Heimatland“ Gökalps bekannt.

Zur Schande deutscher Orientalistik belebten der Begründer der deutschen Islamwissenschaft Carl Heinrich Becker und Martin Hartmann, in der "Deutschen Gesellschaft für Islamkunde", das Konzept des „Dschihad“, das im Islam als Argument für Angriffskriege längst seine Gültigkeit verloren hatte. Sie überzeugten Wilhelm II. dass er den Sultan-Kalif dazu drängen solle, den „Dschihad“[1] auszurufen. Der deutsche Abu Dschihad Baron Max Oppenheim[2] ließ die Muslime vergeblich zur Revolution gegen ihre Kolonialherren drängen, um Soldaten von England und Frankreich an die Kolonien zu binden.

Die stattgefundene konzertierte deutsch-osmanische Dschihad-Aktion, die der höchste osmanische Rechtsgelehrte[3], Mitte November 1914 legitimierte, verbrämte die imperialen Kriegsziele der Türken religiös und bescherten der Welt einen Islamismus, der bis heute virulent ist. Die Jungtürken verwandelten die Fatwa des Şeyhulislams über den Dschihad in: „Für türkische Zwecke sind alle Mittel heilig“.

Zusätzlich vertraten die Jungtürken während des I.Weltkrieges, eine Politik, die eine Türkisierung des Osmanischen Reiches vorsah.

Weitere Reformen, mit denen die Türkisierung des Volks erreicht werden sollte, waren im Bildungswesen zu verzeichnen. Auf dem Parteitag der CHP wurde 1932 eine neue Identitätspolitik[4] , was ein Türke ist, fixiert. An diesem neuen Standard türkischer Identität wurden die Völker Kleinasiens gemessen und damit auch die Zaza in Dersim mit ihrer synkretistischen Religion.

Gobineaus Idee der arischen Rasse verhakte sich in den Köpfen türkischer Ideologen und der daraus ableitbare Herrschaftsanspruch erschuf bei ihnen die Idee der türkischen Herrenrasse. Dieser Rassismus war eine Neuauflage aus der Zeit der Scharia wo die Muslime über die Nichtmuslime herrschten und sie zu einer Sondersteuer der “Dschizya” zahlenden Spezies mit minderen Recht gemacht wurden.

Gökalp ein Ideologe der Jungtürken, formte daraus eine türkische Rasse, in die alle Völker Anatoliens, falls sie sunnitische Muslime waren, per Bekenntnis zum Türkentum eintreten konnten.

Der deutsche Botschafter Graf Wolf-Metternich charakterisierte die Türkisierung in dem Sinne dass Türkisieren heiße, alles Nichttürkische vertreiben oder töten, vernichten und sich gewaltsam anderer Leute Besitz aneignen.[5]

Da aber nur sunnitisch muslimische Menschen in die homogenisierende Identitätspolitik der jungen Republik passten, gehört der Völkermord an Andersgläubigen zur Türkisierung.

Völkermord fängt an, wenn eine Regierung seine andersgläubigen oder anderssprachlichen Minderheiten vernichtet.

Nach dem Völkerrecht aus der Scharia, das noch in den Köpfen der Jungtürken existierte, durften Menschen aus dem Dār al-Harb, mit einer pantheistischen Religion, versklavt werden. Der arabische Begriff Dār al-Harb heißt: „Gebiet des Krieges“ und bezeichnet alle nicht unter islamischer Herrschaft stehenden Bereiche der Welt. Weitestgehend wird Dār al-Harb als „Gebiet des Unglaubens“ gebraucht und die darin Lebenden sind Harbis. Die Jungtürken und Kemal Atatürk ließen an die dreieinhalb Millionen syrische, griechische und armenische Christen ermorden. Atatürks letzter Völkermord geschah in Dersim an den Harbis des „İtıqatê Dêsımi“. Durch ihr Alevitentum schimmerte ein unübersehbarer Pantheismus[6]  und das von den Armeniern übernommene christliche Gedankengut. Warum aus der Scharia interpoliert werden muß, verdeutlicht das Faktum, dass den Zaza aus Palo oder Cermik die sich schon früher sunnitisiert hatten, überwiegend nichts im Genozid geschehen ist.

Die „Minderwertigkeit der Harbis“ ist auch der Grund, warum die Massaker in Dersim in einer Parlamentsdebatte 2009 auftauchen dürfen, während die Völkermorde an den Christen, die ein Vertragsrecht Al Dhimma besaßen weiterhin tabuisiert bleiben.

Nach der Niederschlagung des Aufstandes von Scheich Said 1925 wurde ein Gesetz verabschiedet in dem das Verbot von Organisationengründung verankert wurde, die auf Rasse oder Religion fußen, die „die politische oder nationale Einheit spalten“ [7]

Dieses Gesetz begann den Weg zum Völkermord 12 Jahre vor seiner Verwirklichung zu eröffnen. Denn mit diesem Gesetz lebte jeder Zaza im Dār al-Harb und war ein Nationenspalter. Damit wurden sie vogelfrei, weil sie eine Religion praktizierten, die konträr zur Staatsreligion stand.

Zur weiteren Vorbereitung des Genozid gehört eine soziologischen Studie[8] aus dem Jahr 1932, in der alle Stämme in Dersim nach ihren potentiellen Kämpfern und ihrem Vermögen untersucht[9] wurden. Zum Beispiel: „Bei den Abasan wurden… 1500 Männer und 1300 Frauen gezählt.“ Oder: „Sie waren 1926 am Koçkiri (Sivas) Aufstand beteiligt. Sie sind mit dem Kirgan-Stamm verfeindet und mit den Kalan, Usivan, Demenan und Bachtiaren befreundet. Sie besitzen 10 Pferde, 2000 Rinder, 800 Schafe, 1500 Ziegen und 50 Maultiere“.[10]

Das Deportationsgesetz[11] aus dem Jahre 1934 wurde von türkischen Juristen dahingehend kommentiert: dass für Dersim gelte, dass es die Region sei, „die aus gesundheitlichen, ökonomischen, kulturellen, militärischen und sicherheitstechnischen Gründen entvölkert werden muss und in der sich niemand mehr ansiedeln darf“[12].

Durch die Verfahren des Deportationsgesetzes entstand Gemeinschaftslosigkeit, weil die haltgebenden Stammestrukturen der Zaza zerstört wurden und kein Ersatz gefunden werden konnte. Zehntausende wurden in die Verbannung geschickt; Familien wurden zerrissen, Menschen voneinander getrennt und auf andere Dörfer, Bezirke und Provinzen verteilt. Tausende Kinder wurden  zur Adoption freigegeben oder in Waisenheime überstellt. Noch heute finden sich in den Zeitungen Suchanzeigen, in denen die Menschen nach ihren vermissten Verwandten forschen. 1938 wurde eine gesamte Generation ihrer Mütter und Väter beraubt.

Deshalb mündet das Deportationsgesetz in einen Ethnozid, einer Identitäsvernichtung, und diente als flankierende Maßnahme zum Völkermord.

Nach der Verabschiedung des Tunceligesetzes im Oktober 1935 durfte das Militär in Dersim die Bürger töten.

Wohin ein Zaza auch flüchtete, er konnte auf Grund des § 34 dieses Gesetzes außerhalb der Provinz Dersim verhaftet und getötet werden. Flüchtete er nach Persien oder nach Syrien, so wurde er auf Grund des Vertrages von Saadabad[13] an Ankara ausgeliefert. Deshalb ist der Vertrag von Saadabad vom Juli 1937 eine außenpolitisch flankierende Maßnahme in der Vorbereitung des Genozid.

Das Deportationsgesetz und das Tunceligesetz wehrten zusätzlich Schadensersatzansprüche der Überlebenden an den türkischen Staat ab.

Die Gewissen der Henker werden durch diese Gesetze entlastet, weil die Große Türkische Nationalversammlung sie beauftragte, einen Genozid zu begehen.

Den Auftakt zum Genozid gab Mustafa Kemal Atatürk in seiner Parlamentseröffnungsrede im Jahre 1936. Er sagte: ”Wenn es etwas Wichtiges in unseren inneren Angelegenheiten gibt, dann ist es nur die Dersim-Angelegenheit. Um diese Narbe, diesen furchtbaren Eiter in unserem Inneren samt der Wurzel anzupacken und zu säubern, müssen wir alles unternehmen. Egal, was es koste, und die Regierung muss mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden, damit sie die dringend erforderlichen Entscheidungen treffen kann.[14]

Im Beginn der Massaker 1937 wurde die geistige Elite der Zaza in Elazığ, durch Justizmord, vernichtet. Das Sondergericht versuchte mit den eigenartigsten Konstruktionen den Anschein eines rechtsstaatlichen Vorgehens zu erzeugen. Es musste Schuld konstruieren, weil es keine Schuld der Angeklagten gab. Vor der kemalistischen Tötungsmaschinerie, stand der 76-jährige Seyit Riza. Der Richter versuchte ihn auf 56 Lebensjahre herunter zu handeln, denn im geltenden türkischen Strafgesetzbuch durfte keine Todesstrafe verhängt werden wenn der Angeklagte über 60 Jahre alt war.

Eine Sequenz aus dem gleichen Gerichtssaal berichtet Frau Yemos Chatun[15]. Sie zitiert dabei aus der Anklageschrift ihres Bruders Findik, der Sohn des Qemer Agha, in der stand, dass ihr Bruder als vermeintlicher Mörder von Ismail Hakki dem Bataillonskommandeur, während er mordete, laut zugerufen habe soll, dass er Findik sei. An diesem Punkt hätte die Anklage ob ihrer Absurdität zusammenbrechen müssen. Denn warum sollte Findik –bildlich gesprochen – seine Visitenkarte an den Zeh eines Toten klemmen?

Er hatte zwar vor längerer Zeit einen verbalen Zusammenstoß mit jenem vermeintlich toten Hakki gegeben, wegen der Misshandlung seines Bruders auf der Gendarmeriestation im Stammesgebiet der Yusufan. Dieses Faktum verdrehten die Anklagekonstrukteure zum Motiv für einen Mord. Aufschlussreicher ist jedoch, dass im penibel geführten Militärprotokoll[16] kein toter Leutnant im fraglichen Zeitraum registriert ist. Das Militär hat sogar in diesem Zusammenhang folgendes in sein Protokoll aufgenommen: „Mit Hilfe des Stammesoberhauptes, Qemer Agha, konnte die Rückzugsbewegung des Bataillon erfolgen und es wurden keine Verluste erlitten.“[17] Trotz dieser Hilfe starb Qemer Agha im Gefängnis von Elazığ. Somit sind neben dem Fall Seyit Riza auch der Fall Findik und der Fall des Stammesführers Qemer Agha eindeutig belegbare Justizmorde, wie die der anderen Angeklagten auch.

Am 3. Mai 1937 wurde Zentraldersim von 15 Flugzeugen mit Giftgas bombardiert. In der Propaganda des Militärs ist der Völkermord eine Befriedungsaktion.[18] Das Gebiet des Stammes der Abasan wurde von der Pilotin Sabiha Gökcen, der Adoptivtochter Mustafa Kemal Atatürks, bombardiert.

Sabiha Gökcen profilierte sich besonders mit 50-kg-Bomben auf das Dorf Keçizeken[19]. Was sehr anerkennend in den Unterlagen des Militärs vermerkt wird: “Sie hat mit diesen Bomben den Banditen große Verluste zugefügt.”[20]

Der Ministerrat beschloss den Völkermord am 4. Mai 1937. Dieses Datum beweist, dass der Ministerrat über einen Völkermord entscheiden sollte, der vom Militär längst geplant und entschieden war und der vor allem bereits angefangen hatte. Keçigezen – über das laut Beschluss des Ministerrats erst noch entschieden werden sollte – war einen Tag vorher von Sabiha Gökcen zerbombt worden.

Parallel zum Ministerratsbeschluss kreiste die türkische Armee Dersim ein und führte in der schneefreien Zeit der Jahre 1937 und 38 den Genozid durch. Dabei wurden 70.000[21] bis 140.000 Menschen[22] ermordet.

Mehrere der Diktatur gewogene Autoren bescheinigten damals der Armee: „Der Beschluss, dass in Dersim kein einziges Lebewesen am Leben gelassen werden sollte, wurde strengstens befolgt.[23]

Den Ausrottungseinheiten erklärte man, dass sie an einem Dschihad teilnehmen würden. Es kann nicht behauptet werden, dass Atatürk ein frommer Mensch gewesen sei, nein, er nutze nur das vom Sultan und Wilhelm II. losgetretene Konzept weil es die Soldaten der Ausrottungseinheiten nicht nur in Dersim suggerierte: „Niemand im Paradies möchte wieder zurückkehren, mit Ausnahme des Märtyrers, der im Kampf für die Sache Gottes gefallen ist. Er möchte auf die Erde zurückkehren, um noch zehnmal getötet zu werden, nach all den Ehrenbezeigungen, die ihm im Paradies zuteil wurden“[24].

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Der türkische Kavallerist Demirtaş aus Kars, stationiert in Dersim von 1937 – 38 bringt es auf den Punkt: „Wir sammelten die Dorfbewohner in Dersim und sagten ihnen: „wir werden euch retten!“. Wir brachten sie an die Ufer der Flüsse oder andere geeignete Orte. Danach erschossen wir sie mit Maschinengewehren. „Wir töteten Sie alle: Frauen, Kinder, Säuglinge, Greise und Jugendliche“… Es war damals wichtig einen Aleviten zu töten, sein Gold an sich zunehmen, im Wohlstand zu leben und direkt ins Paradies zugehen. … [25]. Hier schimmert die neubelebte Fatwa des Şeyhulislam Ebussuud[26] nach der Schlacht von Çaldiran aus dem 16. Jahrhundert durch Demirtaşs Argumentation. Durch zwei islamistisch verdrehte Fatwen wurde der Henker Demirtaş zum „Glaubenskämpfer“.

An Hand der Verlustzahlen des Militärs können wir nachweisen, dass kein Aufstand der Zaza gegen die Türken vorgelegen hat. Der Stamm der Demeniden hat zwar im ersten Jahr des Genozids eine Holzbrücke und eine Militärstadion angezündet. Die Verluste jedoch unter dem Militär in der 1. Tunceli Operation[27], war laut Protokoll ein getöteter Offizier, dessen Angehörige mit 1000 Lira entschädigt wurden und 4 Verletzte, die auch 1000 Lira bekamen[28]. Die Verluste des Militärs in der 2. Tunceli Operation[29] 1938 waren in den Ausrottungseinheiten 27 Gefallene und 41 Verletzte[30].

Es geht aus den Unterlagen des Militärs nicht hervor, ob sie auch durch „Friendly Fire“ umkamen oder in den Bergen tödlich verunglückt sind.

Einige behaupten, dass ein Aufstand in Dersim stattgefunden habe. Dabei übernehmen sie die Argumentation der Henker und verbreiten die Propaganda des türkischen Militärs: Das einen Völkermord zu einer Bürgerkriegshandlung umdeutet, nach dem Motto: Kriege darf das Militär führen, deshalb hat in Dersim ein Krieg stattgefunden.

Im Tagesprotokoll des Militärs hat man die Henker wortwörtlich in Ausrottungseinheiten[31] organisiert. In der Innensicht des Militärs war man ehrlich, und sprach vom Ausrotten, während in der Propaganda der Völkermord zu einem Bürgerkrieg umgedeutet wurde. Im Zusammenhang mit dem Ausmisten vom Augiasstalls des Militärs sprach man im letzten Jahr in Ankara in einer Debatte[32] des Parlaments über die Massaker in Dersim

Wer von einem Aufstand in Dersim spricht, beleidigt die Ehre der Ermordeten noch einmal. Er wiederholt die Propaganda der türkischen Henker, die in ihrem Flugblatt für Dersim am 3. Mai behaupteten, dass es unter den Dersimern Menschen gebe, die einen Aufstand anzetteln möchten.

Die Würde der alewitischen Zaza, wurde im Völkermord 1937/38 auf grausamste Art und Weise angetastet, als sie ausgestoßen wurden aus der menschlichen Solidargemeinschaft.

Diese Ausstoßung verlängerte sich bis zum Ende des letzten Jahrhunderts, weil das Militär in Dersim-Tuncelis jüngster Vergangenheit unter dem Vorwand des Kampfes gegen die PKK[33] einen erneuten Ausmordungsprozess unter den „Harbis“ der Zaza, Jesiden und den christlichen Assyrern in Ostanatolien initiierte. 1987 wurden “die Bürger von Tunceli […] zur Deportation gezwungen. 233 Dörfer haben Anweisung in diesem Sinn erhalten. „20.000 Personen müssen ihre Dörfer verlassen“ sagt der Minister für Forsten und Dörfer“[34].

Bereits seit 1962 wurden diese Deportationen vom Generalsdirektorat für Dorfangelegenheiten im Landwirtschaftsministerium geplant. Dort wurden Daten für eine gründliche Bestandsaufnahme in den östlichen und südöstlichen Provinzen erhoben, deren Ergebnisse nur für den behördlichen Gebrauch bestimmt waren. Damit waren die Daten und der Vorgang, der Öffentlichkeit vorenthalten und im so genannten „Köy Enventer Etüdlerine Gore“[35] publiziert. In den Vorworten für die einzelnen Provinzen im „Köy Enventer“ lautet die Beschreibung folgendermaßen: „Ziel der Dorfbestandsaufnahme ist es, […] die grundlegenden Daten […] wurden[…] gesammelt für das Direktorat für Land und Umsiedlung. […] Detailauswertung wurde nur für das für Ansiedlung und Umsiedlung zur Verfügung stehende Land durch unser Generaldirektorat und im Hinblick auf praktische Maßnahmen vorgenommen[36] Im gleichen Köy Enventer Tunceli-Band von 1964 steht für das Dersim-Tunceligebiet, „es gab keine Feudalstruktur, die eine Agrar-Reform gebraucht hätte[37]

210 Dörfer mit 15767 Häusern[38] wurden vom Militär in den achtziger Jahren und bis 1995 durch verbrennen geräumt. Die Wälder mit den heiligen Bäumen der Zaza wurden mit Hilfe riesiger Flammenwerfer eingeäschert. Der Staatsterror generalisierte sich zu willkürlichen Verhaftungen, Zerstörungen und Massaker, in denen tausende ostanatolischer Kinder[39] bis August 2002 den Tod fanden.

Es gab keine Gründe, die die Bürger Dersim-Tuncelis und in den anderen ostanatolischen Provinzen geliefert hätten. Es gab kein Gerichtsurteil, das die Einäscherung privater Häuser angeordnet hätte. Man sprach von 20-30.000 Umzusiedelnden in Dersim-Tunceli und in ganz Ostanatolien von 9,5 Millionen Bürgern[40] die die „Gecekondu“[41] in den Vorstädten Istanbuls und Ankaras erbauten und in alle Welt flüchteten.

Die Föderation der Dersimkulturgemeinden in Europa könnte in Straßburg Entschädigungsprozesse initiieren, weil sich der Völkermord aus dem Jahre 1938 mit langen Unterbrechungen bis zum Ende der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts verlängerte.

Dabei könnte von einem europäischen Gerichtshof festgestellt werden, dass es einen Völkermord in Dersim gab. Ergreift die Föderation der Dersim Kulturgemeinden nicht diese Chance, bedient sie das Weltbild des türkischen Militärs oder anders gesagt des „Tiefen Staates“[42] in dem ja kein einziger Völkermord stattgefunden hat. Wenn die Föderation es nicht fertig bringt die Volksbezeichnung Zaza zu benutzen, die sich in Wissenschaft und Politik seit 80 Jahren durchgesetzt hat, dann bedient sie das Weltbild des „Derin Devlet“ in dem kein Volk der Zaza existiert, und an denen somit kein Völkermord geschehen sein kann. Gleichzeitig wäre der Verzicht auf eine ethnische Selbstbezeichnung die Aufrechterhaltung der Akzeptanz der Identitätsvernichtung in der Türkisierung.

Die Föderation verschwiege auf diese Art und Weise den Völkermord, und stöße damit die Ermordeten noch einmal aus der menschlichen Solidargemeinschaft aus.

Gleichzeitig würde sie die schweren seelischen Schäden, die die Überlebenden dieser Traumatisierung an ihre Kinder und Kindeskinder weiter geben mußten, für inexistent erklären.

Daraus folgt, dass die Zaza und in der Selbstbezeichnung auch die Kırmanc und Dımıli aus Dersim, die jetzt in Europa leben, von der deutschen Bundesrepublik die Anerkennung der Massaker als Völkermord fordern müssen.

Der Völkermord ist seit 1949 geächtet und ein Recht auf Leben festgeschrieben. Die Zaza als Anhänger des İtıqatê Dêsımi haben bis heute dieses Recht auf Leben noch nicht wieder zurück bekommen, weil es ihnen nur von einem Parlament zurück gegeben werden kann, da es ihnen die türkischen Vertreter des Volkes im Ministerrat 1937 genommen haben.

Ich hoffe, dass das deutsche Parlament das Lebensrecht der Zaza aus Dersim und dass der Kindeskinder der armenischen, griechischen und syrischen vernichteten Christen zurückgegeben wird.

Haq sıma ra razi bo!


 

[1]         Ein muslimisches Konzept aus dem 9. Jh. n. u. Z. zur Sakralisierung  der Karawanenräuberei der arabischern Stämme

[2]         Oppenheim forderte in seiner Denkschrift (Sal. Oppenheim jr. & Co., Hausarchiv, Oppenheim 25/10, Max Freiherr von Oppenheim, Denkschrift betreffend: Die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde, Berlin 1914), S. 7, den Türken allein für Propaganda und Krieg 100 bis 300 Millionen Mark zu geben. Daneben verlangte er für andere Kriegskassen weitere Gelder.

[3]         Şeyhulislam

[4]              Diese Identitätspolitik wurde formuliert auf dem Birinci Türk Tarih Kongresi: Konferenslar Müzakere zabitlaln, Istanbul: T. C. Maarif Vekaleti, 1932, S. VII-XIII

[5]         Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. vom 10. Juli 1916,

[6]         „Und verkünde laut, was dir befohlen wird, und wende dich von den Polytheisten ab. Wir schützen dich vor den Spöttern, die Gott einen anderen Gott zur Seite stellen. Sie werden es noch zu wissen bekommen.“ – 15:94-96 nach Khoury. Die Christen die ihrem Gott einen Sohn beigesellen sind darunter auch subsummiert.

[7]         14. Juni 1934 (Gesetz Nr. 2510) Entnommen: Aslan, Fikret; Bozay, Kemal, u.a.: Graue Wölfe heulen wieder: Türkische Faschisten und ihre Vernetzung in der BRD. 2., aktualisierte Aufl. (Münster:) Unrast, (2000), S. 38

[8]         Türkiye Cumhuriyetinde ayaklanmalar (1924-1938) [Rebellions in the Republic of Turkey, 1924-1938] (Ankara: T. C. Genelkurmay Baskanlı-ı Harp Tarih Dairesi, 1972. S112 . Türkiye Cumhuriyetinde a.a.O. S 318. Ich ordne diese Studie deshalb als Vorbereitung zum Völkermord ein, weil Kinder nicht erfasst wurden.

[9]         Ibid. S. 77,  S.422

[10]       Dersim Jandarma Genel Komutanligi nin Raporu Basim Neudruck 1998 Istanbul, S. 34

[11]       Gesetz Nr. 2510 vom 14. Juni 1934

[12]       Resmi Gazete Nr. 2733 am 21. Juni

[13]       Vertrag zwischen der Türkei und Teheran und Bagdad: Vereinbarung u. a. alle Flüchtlinge aus Ostanatolien beziehungsweise Persien oder Syrien gegenseitig auszuliefern. Die Tabuisierung des Zazaproblems hinderte die Zeitgenossen ebenso diesen Vertrag eine adäquate Deutung zu geben (Vgl. etwa Gotthard Jaschke, Der Vertrag von Saadabad, ein Markstein in der Geschichte Vorderasiens“ in: Zeitschrift für Politik,: Bd. 27 (1937), S. 495-499

[14]       Ebubekir Pamukçu, Dersim Zaza Ayaklanmasının Tarihsel Kökenleri, Yön Yayincilik. Istanbul, 1992 S.78

[15]       Yemos Chatun; Pir, Duisburg 1998, S. 45 – 48. Übersetzung Dr. Kahraman Gündüzkanat.

[16]       Türkiye Cumhuriyetinde Ayaklanmalar 1924-1938; III $. IKS - Nr. 55058; ohne Ort und Erscheinungsjahr  S.365 - 485

[17]       Ibid. Seite: 222-223.

[18]       [türkisch] Tedip

[19]       “Boro Cêren

[20]       Türkiye Cumhuriyetinde a .a .O. S. 388

[21]       M. Kalman Belge, ve Taniklariyla Dersim Direnisleri, Nujen Yayinlari, Oktober 1995, Istanbul. S. 197;

[22]       Σteфanoσ Σaπapaσ – Ekato Χoλemoσ Eλλαλασ – Τουρκιασ [1900-2000] Nea Συnοpα Αθηνα 1999. S. 690; Übersetzung Joannis Karageorgoudis, Berlin 2002,

[23]       Ibid. – Seite 396 – 397

[24]       Ṣaḥīḥ al-Buḫārī. Nachrichten von Taten und Aussprüchen des Propheten Muhammad. Ausgewählt, aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Dieter Ferchl. Reclam, 2006. Kap. XXVIII, S. 304;

[25]       vgl. M. Kalman: Belge ve taniklariyla Dersim Direnisleri Istanbul 1995, S. 393

[26]       Kaynak: Şeyhulislam Ebussuud Efendi Fetvalari ışığında 16.asır Türk hayatı. Yayına hazırlayan: M.Ertuğrul Düzdağ 1972 İstanbul --sayfa: 109-117 “sadece İslam'ın Sultanının, onlara ait kasaba varsa, o kasabanın bütün insanlarını öldürüp, mallarını, miraslarını, evlalarını alma hakkı vardır) ( ve bunlarun ba'de'lahz tevbelerine yenedametlerine iltifat ve i'tibâr olınmayub kati olma ( ) ancak bu toplamadan sonra onların tövbe ve pişmanlıklarına inanmamalı ve hepsi öldürülmelidir”

[27]       vom März 1937 bis 22 Oktober 1937

[28]       Türkiye Cumhuriytinde Ayaklanmalar 1924 – 1938; S. 409

[29]       vom  2. Januar bis 1. August

[30]       Türkiye Cumhuriytinde Ayaklanmalar  1924-1938; S. 436-437

[31]       Tenkil kuvvetlerinde“

[32]       Ali Bayramoğlu 23-11-2009 Kaynak: Aksiyon Dergisi Sayı: 781

[33]        Kurdische Arbeiterpartei

[34]       2000’e Doğru, 15.-21.2. 1987; Cumhuriyet 15., 16., 17., 18.2.87. Tercüman 20. 2. 87;   Milliyet 25. 2. 87.

[35]       Dorfstatistiken

[36]       Sternberg-Spohr Alexander, Gutachten zur Situation der Yezidi in der Türkei 1987, im Auftrag der Gesellschaft für bedrohte Völker. S. 56

[37]       Ibid.

[38]       Cumhuriyet 9. und 10. 3. 1987.

[39]       Celik Selahattin., Die Türkische Counterguerilla, Köln 1999, S.398

[40]       Sternberg –Spohr a. a. O. S. 57

[41]       in einer Nacht errichtet

[42]       Derin Devlet