“Der Beschluss des Ministerrats
der türkischen Republik”
über DEN VÖLKERMORD
und
„Tunceli-gesetz“
von Mehmet Doğan & İsmail Kılıç
Art. I. Die Vertragschließenden Parteien bestätigen, dass Völkermord, ob im Frieden
oder im Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist,
zu dessen Verhütung und Bestrafung sie sich verpflichten.
Art. II. In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen,
die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische
oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
(a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
(b) Verursachung von schwerem körperlichem
oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
(c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe,
die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
(d) Verhängung von Maßnahmen,
die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
(e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
[15. Konvention über die Verhütung und Bestrafung
des Völkermordes, vom 9. Dezember 1948,
(BGBI. 1954 II S. 730), Internationale Quelle: UNTS Bd. 78, S. 277]
Dersim ist das Kerngebiet des Alewitischen Zaza-Landes, das an der Wasserscheide der biblischen Flüsse Tigris und Euphrat liegt und in die Welt der Sagen als „Paradies“ eingegangen ist. Die Dersimer, Hüter und Träger einer der ältesten Kulturen und Sprachen der Welt, sind z.B. vergleichbar mit den Indianervölkern Nord- und Südamerikas vor ihrer Ausrottung bzw. Missionierung. Sie sind ein Kulturvolk. Dersim war und ist immer noch ein Dorn im Auge des islamischen und türkischen Staates. Die Dersimer wurden seit Jahrhunderten und werden heute noch auch als der Hort der “Heiden”, “Ketzer” bzw. “Gottlosen” bekämpft, da sie die systematische Islamisierungs- und Türkisierungspolitik strengstens ablehnten. Obwohl das Osmanische Reich seine Herrschaft bis nach Wien, Nordafrika, zu den arabischen Halbinseln und dem Persischen Reich ausgedehnt hatte, konnte so ein militärisch starkes Reich die Dersimer nicht in die Knie zwingen. Dersim blieb bis 1937/38 - also 15 Jahre nach Gründung der Türkischen Republik - de facto Unabhängig und eine Insel der Freiheit und des Fridens am oberen Euphrat. Das Land Dersim wurde erst Schritt für Schritt und zuletzt im Jahre 1937/38 durch den Genozid total erobert.
Die türkische Armee hat zwar den Boden Dersims erobert, nicht jedoch den Geist und die Seele seines Volkes. Die Türkisierungs- und Islamisierungspolitik ist gescheitert. Seitdem symbolisiert Dersim den Widerstand und ist eine Hoffnung für unterdrückte Kulturen und Ethnien in Anatolien und Mezopotamien.
Neben den Alewiten lebten und leben dort heute noch auch Armenier, die vor Verfolgung und Vernichtung während des osmanischen Reiches in Dersim Schutz gefunden haben. Die DersimerInnen haben einen uriranischen Glaube. Natürlich wurde ihr eigener Glaube von verschiedenen Religionen beeinflusst und zwar von Mazdaismus und Zarathustrismus bis zum Christentum und Islam. Sie nennen ihren Glauben “Yitıqatê Kırmanciye” (Dersims Glaube). In der türkischen Sprache werden sie “Kisilbasch” (“Rotköpfe”), “Alewit” oder „Dersimer“ genannt. Die Alewiten von Dersim sind als tolerant und offen gegenüber den Weltreligionen bekannt. Bis zum Genozid an Armeniern und an Assyrer-Aramäern durch die Türken und ihren kurdischen Mithelfern lebten die DersimerInnen mit den Christen zusammen in einer friedlichen Nachbarschaft. Ein Beispiel dafür ist der Schutz der christlichen Armeniern im Zentral-Dersim während des ersten und zweiten Völkermordes. Dies ist ein Zeichen der Toleranz und Akzeptanz der DersimerInnen gegenüber anderen Kulturen und Religionen.
Nach dem Genozid wurden viele Überlebenden zwangsdeportiert. Seither nimmt ihre Unterdrückung und Verfolgung kein Ende. Die Dersimer werden systematisch aufgrund ihrer ethnischen und kulturellen Identität, ihres Glaubes, ihrer freiheitsliebenden und widerständischen Vergangenheit sowie ihrer demokratisch-pluralistischen politischen Orientierung bestraft.
In den 80er Jahren, nachdem Militärputsch, wurden vom türkischen Staat viele Moscheen in Dersim gebaut und in den Schulen zwangsweise islamischer Unterricht eingeführt, obwohl die Dersimer keine Müslime sind. Im Jahre 1994 haben die türkischen Sicherheitskräfte und Militärs in der Region Zentral-Dersim (Tunceli) mehr als 200 Dörfer verbrannt und zerstört. Von den insgesamt 480 Dörfern von Zentral-Dersim wurden bislang 400 Dörfer entvölkert, die Einwohner vertrieben. Dort wurde jede Lebensgrundlage und die Natur grausam und skrupellos zerstört und vernichtet.
In der Türkei werden nur in einer einzigen Region Lebensmittel an die Bevölkerung mit der Lebensmittelkarte wie in der Zeit der Weltkriegen verteilt, diese Region ist Tunceli (Zentral-Dersim).
Diese Vertreibungs- und Zerstörungspolitik und das Lebensmittelembargo führt nicht nur zur Verelendung und Hungersnot, sondern auch zum Anfang des Untergangs von Sprache, Kultur, Religion, Geschichte und Brauchtum dieses Landes.
Die Geschichte von Anatolien und Mezopatamien ist gleichzeitig die Geschichte der Genoziden.
Der Genozid wurde erst an den Asyrer-Arameärn und den Yeziden (zuletz in den Jahren 1915-16), dann an den Armeniern (zuletzt in den Jahren 1915-16), den Griechen und Pontius-Griechen (in 20er Jahren in Anatolien), und schließlich an Dersimern (alewitische Zazas 1937-38) begangen. Die Lazen wurden in früheren Jahrhunderten durch Massaker und Gewalt zum Islam bekehrt und assimiliert worden.
Nun war das letzte nicht-moslemische Volk, die Dersimer, dran. Da die Dersimer sich der türkischen und islamischen Herrschaft nicht unterwerfen wollten, der türkischen Anektion ihres Landes wiedersetzt haben, ihren Gesetzen nicht folgten, ihre defakto existierende Unabhängigkeit bewahren wollten und den Armeniern während der Masserkern Schutz gewährt haben, wollte man sie systematisch vernichten.
Der Dersim-Genozid wurde Schritt für Schritt exemplarisch nach Plan vorbereitet und durchgeführt.
Wie es aus den Quellen der Osmanischen Reiches und seinem Nachfolger, der Türkischen Republik zu entnehmen ist, wurden Dersimer bis zum letztem Genozid mindestens 40 mal massakriert.
Aus einem „strengst geheimen“ Buch , das vom „Generalstab der Gendarmerie des Innenministeriums der Türkischen Republik“ in 30er Jahren in seiner Zeit 100 Exemplare nur für vertrauten Personen herausgegeben wurde, geht folgendes hervor:
„Seit dem Yavuz Selim... Obwohl diese Volksstämme in vier Jahrzehnten mindestens vierzig mal niedergemetzelt und exemplarisch bestraft wurden, nahmen die Aufstände kein Ende an.“ [Dersim, Ministerium für Innere Angelegenheiten der Türksichen Republik, Generalstab der Gendarmerie, III, Ş. IKS - Nr. 55058, Seite: 222-223]
In der Anklageschrift der einigen führenden Persönlichkeiten Dersims, die in Elazig (Xarpêt) im Jahre 1937 hingerichtet wurden, stand folgendes:
„In den letzten 30 Jahren fand in Dersim 11 mal eine Konfrontation mit der Armee statt. Sobald die Dersimer sich in der Klemme befanden, verzogen sie sich wie früher wieder mal in die Kutu-Deresi, Kalan-Deresi, Ali Bogaz, und wenn dies ihnen nicht möglich war, auf dem Bakir-Berg oder Tujik Baba. Der Armee war es niemals möglich, Kutu-Deresi zu betreten oder den Bakir Dag zu besteigen.“ [Die Tageszeitung „Ulus“, 28. Oktober 1937].
In den 1930er Jahren hatten alle führenden Persönlichkeiten der neu gegründeten Türkischen Republik mit persönlicher Anteilnahme über den Dersim-Genozid beraten, geplant und durchgeführt.
Den ersten Start zum Dersim-Genozid hatte der Vater der Republik Mustafa Kemal Atatürk in seiner Parlamentseröffnungsrede im Jahre 1936 proklamiert und sagte:
„Wenn es etwas Wichtiges in unseren inneren Angelegenheiten gibt, dann ist es nur die Dersim-Angelegenheit. Um diese Narbe, diesen furchtbaren Eiter in unserem Inneren, samt der Wurzel anzupacken und zu säubern, müssen wir alles unternehmen, egal was es koste, und die Regierung muss mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden, damit sie dringend erforderliche Entscheidungen treffen kann. “
[Ebubekir Pamukcu, Dersim Zaza Ayaklanmasının Tarihsel Kökenleri, Yön Yayıncılık, İstanbul, 1992]
Die ehemaligen Ministerpräsidenten und die späteren Staatspräsidenten Ismet Inönü und Celal Bayar sowie der Oberbefehlshaber der Armee Feldmarschal Fevzi Çakmak und der Minister des Inneren und der spätere Ministerpräsident Sükrü Kaya haben persönlich die Gebiete von Dersim besichtigt und entsprechende Berichte verfasst. Aufgrund der erstellten Berichte, wurden die Pläne des Dersim-Genozids systematisch entworfen und dann später realisiert.
Im Jahre 1934 hat das Türkische Parlament das „Zwangsevakuierungsgesetzt“ beschlossen.
Ein „Tunceli-Gesetz“ wurde im Jahre 1935 beschlossen, die Übersetzung des Originalgesetzestextes wird als Anlage beigefügt. Dieser Gesetzesbeschluß war ein ungeheuerlicher Skandal der Rechtsgeschichte. Es ist unglaublich aber wahr: als dieses Gesetz beschlossen wurde, existierte keine Provinz Namens Tunceli. Die Vollstrecker des Tunceli-Gesetzes wollten überhaupt nicht, daß der eigentliche Name „DERSIM“ bei diesem Gesetz erwähnt wird. Denn die Umbenennung Dersims auf den Namen Tunceli müsste eigentlich zuerst im Parlament beantragt und beschlossen werden.
Dieses Gesetz war die totale Kolonialisierung Dersims. Die Pläne dafür lagen bereits vor.
Die totale Besatzungspläne des Oberbefehlshabers der Armee Feldmarschall Fevzi Çakmak im Jahre 1931 über Dersim lauten wie folgt:
„Vorerst soll Dersim wie eine Kolonie betrachtet werden, unter der türkischen Obrigkeit soll das Dersimtum vernichtet und danach schrittweise dem türkischen Rechtswesen unterworfen werden.“
„Die höheren Verwaltungsbeamten sollen eine Ermächtigung bekommen, vergleichbar mit der Ermächtigung im Verwaltungswesen einer Kolonie.“ [Dersim, Ministerium für Innere Angelegenheiten der Türkschichen Republik, Generalstab der Gendarmerie, III, Ş. IKS - Nr. 55058, Seite: 218-219]
Nach den Berichten von Halis Pascha, der als Oberbefehlshaber der Armee die militärische Säuberungsaktionen im Jahre 1930 in Pülümür (Ost-Dersim) leitete, schlägt folgendes über die führenden Persönlichkeiten von Dersim vor:
„Ich halte die Deportation dieser Personen und ihrer Familien für eine Dauer von 15 Jahren auf die Insel im Beyþehir See und auf die anderen Inseln, auf den früher die Kasaken lebten, für geeignet. Daneben können die wenigen Agas mit Hilfe von Bestechungen oder ähnliche Möglichkeiten unschädlich gemacht werden“.
[Dersim, Ministerium für Innere Angelegenheiten der Türkschichen Republik, Generalstab der Gendarmerie, III, Ş. IKS - Nr. 55058, Seite: 223]
Mit der persönlichen Teilnahme von Mustafa Kemal Atatürk und Generalfeld-Marschall Fevzi Çakmak in der Kabinettsitzung am 04.05.1937 wurde der Befehl zum Dersim-Genozid erteilt, der als Anlage beigefügt wird.
Dieser Tag „04. Mai 1937„ ist der Anfang des Dersim-Genozids.
Die Kemalisten haben den Zeitpunkt des Dersim-Genozids sehr gut durchgedacht und den Genozid in einer Zeit durchgeführt, in der der Zweite Weltkrieg stattfand. Somit ist es den Türken gelungen, ihr Verbrechen an den Dersimern vor der Weltöffentlichkeit geheim zu halten.
Mit dem o.g. Befehl hat die türkische Armee das Land Dersim umzingelt und ein unglaubliches Massaker verübt. Es ist von der Ermordung von mindestens 70.000 Menschen die Rede.
Wie die vielen kemalistischen Autoren selbst damals zugaben und schrieben, wurde der Armee befohlen, in Dersim kein einziges Lebewesen am Leben zu lasssen. Mit dieser Intensität wurden die erteilten Befehle umgesetzt:
„Der Beschluß, daß in Dersim kein einziges Lebewesen im Leben gelassen werden sollte, wurde strengstens befolgt“ [Hasan Izzettin Dinamo, Kutsal Bariş, Band VIII, Seite 369, Istanbul]
Hulusi Ibrahim Yahyagil, pansionierter Oberst, schreibt in seinem Buch mit dem Titel „Die Zeugen erzählen Said-i Nursi“, dass er als Offizier an dem Dersim Massaker 1938 teilgenommen habe:
„Im Jahre 1938 wurden wir als Staatsdiener entsandt, um die Aufständischen in Dersim niederzumetzeln. Der Zustand, den sie als Aufstand bezeichneten, war, dass einige Bergdörfler in jenem Jahr keine Steuern gezahlt hatten. Der Befehl, der uns erteilt wurde, war mit einem Wort ausgedrückt:‘Vernichtung!’...
‘Lasst niemanden am Leben, Jung-Alt, Kind-Frau usw.’. Die meisten dieser Menschen waren Rafizi (“Rotköpfe” - ‘Alewiten’ sind gemeint). Aber konnte man mit solch einer Vorgehensweise sie zum Guten bringen? Ich war Truppenkommandeur...” [M.Kalman, Belge ve Taniklariyla Dersim Direnisleri, Nûjen Yayinlari, Oktober 1995, Istanbul, Seite: 396-397]
Der bekannte kemalistische Autor Kemal Bilbaşar, der als Unteroffizier in der Feldgendarmerie in Hozat während des Genozids diente, schreibt in seinen beiden Romane “Cemo“ und “Memo“ über Dersim und sagt folgendes:
“Es ist jedem bekannt, Menschen, die sich bei dem Aufstand nicht beteiligt haben, sind zwangsweise in die angrenzenden Städte der alten Dersims deportiert worden. Viele Menschen, die das Vorhaben des türkischen Staates gegen Dersim nicht verstanden haben oder - aus welchem Grund auch immer - die sich in einem Form von Wiederstand nicht organisieren konnten, kamen leider nicht ungeschoren vom unsäglichen schmerzlichen Ende. Viele von denen wurden zwangsdeportiert.
Nun was nachdenklich ist, ist das, wie ich vorher auch gesagt habe, waren die militärische Operationen im Jahre 1938 nicht nur begrenzt gegen die aufständischen Gebiete wie Kutuderesi, Tujik Dağı gerichtet gewesen, sondern umfassten diese militärische Operationen auch die Städte, aus denen die Bevölkerung ihre Steuern freiwillig an den Staat entrichteten und freiwillig zum Militärdienst gingen, wie Pertek, Mazgirt, Nazimiye sowie Kreis Städte und Dörfer der Pülümür. Und sogar hier in diesen Gegend lebende viele unschuldige Menschen wurden ermordert. Die Militärische Operationen im Jahre 1938 waren nicht nur innerhalb der Grenzen Dersims beschränkt, sondern sie dehnten sich bis hin nach Erzincan. Dies habe ich von einem Angehöriger einer im Jahre1938 zwangsdeportierten Familie Namens Hasan Hayri Binici erfahren“. [M. Kalman, Belge ve Tanıklarıyla Dersim Direnişleri, Seite 415]
Neben unter anderem tausenden von Zeugen, hat z.B. der spätere Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte Muhsin Batur in seinen späteren Memoieren erwähnt, dass er wegen des Scham- und Reuegefühls über „diesen Fall“ nicht schreiben wollte:
„Eines Tages bekam unser Regiment einen Befehl... Nach einer bestimmten Truppenübungszeit mussten wir nach Dersim... Am Berghang von Harput, etwas weiter entfernt von Elazig liegend, stationierte sich unsere Truppe und nach einer Weile sind wir in Pertek einmarschiert, den wir als ersten Haltepunkt beschlossen hatten, wir haben dort für zwei Monate eine Sonderaufgabe erfüllt. An dieser Stelle entschuldige ich mich bei meinen Lesern und verzichte darauf, über diesen Abschnitt meines Lebens zu erzählen.“ [Muhsin Batur, Anılar-Görüşler-Üç Dönemin Perde Arkası, S. 25]
Atatürks Adoptivtochter Sabiha Gökcen, die erste Pilotin in der Türkei, die Dersim bombardiert hatte, sagte dem Journalisten der Zeitschrift ‘Nokta’ anlässlich des 50jährigen Jahrestages des Dersim-Genozids:
„Nokta: Wie wurde Ihnen der Angriffsbefehl erteilt.
Gökcen: Ich war damals in der Armee beschäftigt. Die Truppe zu der ich angehörte, wurde mit dieser Aufgabe beauftragt. Wir machten uns auf dem Weg. Bevor wir flogen, wussten wir was zu tun war. Das Ziel war direkt Dersim.
Nokta: Wann war die Ankunft Atatürks in das Operationsgebiet.
Gökcen: Er kam Ende 1937 anlässlich der Eröffnung einer Brücke in Pertek. ...Im Operationsgebiet wurden Besichtigungen durchgeführt, manchmal auch mit Atatürk. Ich zeigte ihm die Kriegsgebiete...“
Der langjährige ehemalige Außenminister der Türkei Ihsan Sabri Çagliyangil, der von Ankara als Sonderbeauftragte für die Durchführung der Hinrichtungen einiger führender Persölichkeiten Dersims (Sey Rıza und seiner Freunde) im November 1937 nach Elazig (Xarpêt) entsandt wurde, erzählt in seinen Memoiren folgendes:
„(...)
Es waren Monate vergangen, Seyit Riza und seine Gefährten wurden verhaftet. Die Gerichtsverhandlungen liefen. Genau zu dieser Zeit wollte Atatürk nach Diyarbakir zur Eröffnungsfeier der auf dem Fluss Murat neu erbauten Brücke Singec Köprüsü (Singec-Brücke). Er wollte über dem Landweg zur Brücke Singec Köprüsü. Der Polizeipräsident Herr Sükrü Sökmensüer sagte mir „Atatürk wird die Brücke Singec Köprüsü eröffnen. Der Dersim-Aufstand beendet. Sechs tausend ‘weiße Hosen’ aus dem Osten sind nun in Elazig. Sie wollen Atatürk darum bitten, dass Seyit Riza am Leben bleibt. Lassen wir keine Gelegenheit dazu, dass die ‘weißen Hosen’ vor Atatürk treten.“
1937 am Samstagnachmittag, dem gesetzlichen Wochenendtag: Atatürk wollte am Montag nach Elazig kommen. Was von uns verlangt wurde war, „Wenn jemand hingerichtet werden soll, so soll es auch geschehen“, d.h. bevor die ‘weißen Hosen’ vor Atatürk treten, sollten die Hinrichtungen bereits vollstreckt worden sein. Zu dieser Zeit waren der Gouverneur von Elazig Herr Sükrü, der Staatsanwalt Herr Senihi, der Polizeidirektor Herr Serezli Ibrahim, der Stellvertreter des Staatsanwaltes, der ein Freund von mir gewesen ist.
Sükrü Sökmensüer gab mir den Befehl: „Bekomme von den Zivilisten alle Informationen in der politischen Abteilung des Polizeipräsidiums heraus“. Der Schutz Atatürks vom Bahnhof bis zum Volkshaus ist eure Aufgabe.“ Mit sechs Männern, unter ihnen vor allem Macar Mustafa, machte ich mich auf dem Weg. Per Zug kamen wir in Elazig an. Ich ging zum Polizeidirektor Herrn Ibrahim. Er sagte mir, ‘Es ist unmöglich, dass der Staatsanwalt etwas tut, was gegen die Regeln verstoßen würde.’
Ich ging zum Staatsanwalt. Legte ihm den Sachverhalt dar. Er berichtete mir, dass er vom Justizministerium schon eine Chiffre (streng geheime Anweisung) bekommen hätte, die Gerichte aber samstags keine Gerichtsverhandlungen durchführten und somit am Wochenendtag kein Urteil zu bekommen sei. Er fügte hinzu: ‘Ich kann die Gerichte nicht beeinflussen.’
Wir aber wollten, dass das Urteil gefällt wird, bevor Atatürk kommt und die Angelegenheit des Seyit Riza somit beendet und abgeschlossen wird. Ich wurde extra dafür von der Regierung beauftragt und hierher geschickt, damit ich diesen Sachverhalt erledige.
Der Stellvertreter des Staatsanwaltes, ein ehemaliger Mitschüler von mir im Fach Jura, sagte mir: ‘Sag dem Gouverneur, der Staatsanwalt solle ein Attest bekommen, und ich tue was du willst.’
Wir wollten, dass das Gericht an dem Wochenendtag tagt und das Urteil sofort vollstreckt wird.
Der Staatsanwalt erhielt ein Attest. Mein Freund vertrat als Stellvertreter den Staatsanwalt. Danach traf ich den Richter in seiner Wohnung. Er diktierte gerade das Urteil des Gerichtes. Während wir redeten, war er damit beschäftigt, das Urteil mit der Schreibmaschine tippen zu lassen. Wir befanden uns in der CHP-Ära. Man nahm sich in acht (man war sehr genau).
Der Richter sagte mir: „Am Samstag kann keine Gerichtsverhandlung stattfinden, das Gericht wird am Montag tagen und das Urteil fällen. Am Dienstag können wir das Urteil vollstrecken.“
Damals existierte im Vierten Gebiet kein Berufungsrecht.
Abdullah Pascha sollte das Urteil als Kommandeur des Ausnahmezustandsgebietes bestätigen. So schrieb er auf ein leeres Blatt: ‘Das obige Urteil wird hiermit bestätigt’, und signierte das leere Blatt. Wenn oben gestanden hätte Abdullah Paschas Erhängung, müsste er selbst erhängt werden. Ich sagte: ‘An dem genannten Tag kommt doch Atatürk, so wird der Zweck doch nicht erreicht.’ Der Richter unterbrach mich, und sagte: ‘Wir können nichts anderes tun.’ Ich fragte ihn:
„Kommt es vor, dass ihr auch nach 17.00 Uhr Gerichtsverhandlungen fortsetzt?’
‘Aber ja doch, viele. Es gibt Tage, an denen wir bis neun oder zehn Uhr Gerichtsverhandlungen durchführen’, antwortete er.
‘Also dann, wenn ihr fünf Stunden vom Ende der Gerichtsverhandlung beeinträchtigt, könnt ihr nicht auch fünf Stunden vom Beginn an beeinträchtigen? D.h. wir eröffnen am Sonntag Abend bei Tagesanbruch die Gerichtsverhandlung. Der Montag beginnt ab 24.00 Uhr ‘, erwiderte ich.
Der Richter sagte: ‘Der Strom fällt aus.’ ‘Darauf haben wir auch eine Lösung gefunden. Wir können das Gefängnis mit den Autoscheinwerfern beleuchten. Ins Volkshaus bringen wir Druckluftlampen.’ ‘Wir haben keinen Samiin[1]‘, sagte er. ‘Dafür haben wir auch eine Lösung. Wir lassen auch Samiin bringen.’ ‘Wie viele Personen sollen erhängt werden?’ fragte ich. ‘Das kann ich nicht vor dem Urteil sagen.’ Aber er fügte hinzu: ‘Der Staatsanwalt verlangte die Erhängung von 27 Personen.’ - ‘Sollen wir unsere Vorbereitungen danach orientieren?’, fragte ich. ‘Ich weiß nicht’, erwiderte er
‘Bist du gekommen, um mich hinzurichten?’
Das Strafvollzugsgesetz schrieb vor, dass die Personen, die erhängt werden, sich nicht sehen. Wir versuchten, diese Bedingung zu erfüllen. Wir stellten auf jedem Platz jeweils ein Tischchen, insgesamt vier. Der Gouverneur fand einen Henker Zigeunerabstammung. Nachts um zwölf Uhr gingen wir zum Gefängnis. Mit den Autoscheinwerfern beleuchteten wir die Umgebung. Das Gefängnis hatte 72 Angeklagte. Wir brachten die Angeklagten zum Gericht. Der Zigeuner kam auch mit. Er verlangte pro Hinrichtung zehn Türkische Lira. Wir akzeptierten. Die Angeklagten konnten kein Türkisch. Das Urteil wurde gefällt. Sieben der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, für einige von ihnen lautete das Urteil auf Freispruch, für die anderen unterschiedliche Haftstrafen. Da der Richter im Urteilsspruch nicht den Begriff Hinrichtung sondern die Todesstrafe verwendete, verstanden sie das Urteil nicht richtig. Sie jubelten: ‘keine Hinrichtung’. Wir nahmen Seyit Riza mit und stiegen ins Automobil ein. Seyid Riza saß zwischen dem Polizeidirektoren Ibrahim und mir. Der Jeep hielt auf dem Platz neben dem Gendarmeriequartier. Seyit Riza begriff die Lage erst, nachdem er die Tischchen sah. ‘Ihr werdet uns erhängen’, wandte sich mir zu und sagte: ‘Bist du extra aus Ankara gekommen, um mich zu erhängen?’ Wir sahen uns an. Ich stand zum ersten mal mit jemanden, der hingerichtet werden sollte, von Angesicht zu Angesicht. Er lächelte mich an. Der Staatsanwalt fragte, ob er beten wollte. Seyit Riza wollte nicht. Wir fragten ihn nach seinem letzten Wort (Wunsch). „Ich habe nur 40 Lira und eine Uhr. Gebt sie meinem Sohn“, sagte er. In diesem Augenblick wurde gerade die Hinrichtung von Findik Hafiz (Lacê Qemer Ağay Fındıq Ağa) vollstreckt. Während er erhängt wurde, riß das Seil zwei mal. Als Findik Hafiz hingerichtet wurde, stellte ich mich vor das Fenster, damit Seyit Riza es nicht sah. Seine Hinrichtung war beendet und wir brachten Seyit Riza auf dem Platz. Es war kalt und es gab keine Menschenseele in der Gegend. Aber Seyit Riza sprach in die Leere, als ob er eine Rede zu einer Menschenmasse halten würde.
‘Wir sind Nachfahren von Kerbela. Wir sind unschuldig. Es ist eine Schande. Eine Grausamkeit. Ein Mord’, sagte er. Es überlief mich kalt. Dieser alte Mann lief mit gleichmäßigen, scharfen Schritten dem Zigeuner entgegen und schubste ihn. Seyit Riza nahm das Seil und hängte es an seinen Kopf trat den Stuhl und verwirkliche seine Hinrichtung selbst. Es ist schwierig, Mitleid mit dem vom Schicksal verhängten Ende eines Mannes zu haben, der so hartherzig ist, dass er einen Offizier, der genau so alt war wie sein Sohn, umzubringen. Aber ich konnte mich nicht davor zurückzuhalten, Achtung vor dem Mut dieses alten Mannes zu haben. Meine Nerven waren sehr angeschlagen. ‘Mir ist kalt, ich gehe zum Hotel’, sagte ich zum Polizeidirektoren. Als Seyit Riza hingerichtet wurde, war die Stimme des Sohns von Seyit Riza zu hören: ‘Macht mich zum Diener, Sklaven, Hirten. Habt Erbarmen mit meiner Jugend, tötet mich nicht!’
Ich bekam von Atatürk einen gehörigen Verweis.
Ich fühlte mich sehr schlecht. Nachdem ich ins Hotel ging schrieb ich zwei Seiten mit der Schreibmaschine. Als Überschrift schrieb ich:
‘Wir sind unschuldig. Wir sind Nachfahren von Kerbela. Es ist eine Schande. Eine Grausamkeit. Ein Mord!’
Atatürk kam einen Tag später nach Elazig, weil er dachte, dass wir die Angelegenheit nicht rechtzeitig beenden könnten. Der Zug, mit dem er angekommen war, hatte Halt auf einem toten Gleis gemacht. Atatürk schlief, man hatte ihn nicht wecken wollen. Am Morgen habe ich dem Berichterstatter der Zeitung Ulus, der aus dem Zug von Atatürk ausstieg, vorgelesen was ich geschrieben hatte. Er wollte es haben. ‘Man wird es nicht drucken’, sagte ich. Später lasen sie es Sükrü Kaya vor. ‘Es geht nicht’, soll er gesagt haben. Inzwischen sagte man mir, dass Atatürk mich zu sich gebeten hätte. Als ich dort war, frühstückte er gerade. Er zeigte mir ein Foto. Man hatte Seyit Riza fotografiert, als er hing. ‘Was soll das Foto, Herr Polizeipräsident?’, fragte er mich. ‘Ich weiß nichts davon’, sagte ich. ‘Dann weißt du nicht, was um dich herum passiert’, sagte er und ergänzte. ‘Schnell, geh und besorge das Negativ dieses Fotos und vernichte alle Fotos, die entwickelt wurden.’ Ich verließ und recherchierte. Macar Mustafa, unser Zivilpolizist, hatte, nachdem ich den Tatort der Hinrichtung verließ, Fotos gemacht. Er hatte sie irgendwo entwickeln lassen und dem Gehilfen von Sükrü Kaya gegeben. Während des kurzen Gespräches stellte ich fest, dass Atatürk über alle Details Bescheid wusste. Er mochte so etwas nicht. Atatürk war ein demokratisch eingestellter Mensch. Ich vernichtete sofort die Negative, die gedruckt wurden. Zwei der Fotos nahm ich an mich. Ich ging zu Atatürk und überreichte ihm ein Foto und sagte: ‘Ihr Befehl ist erfüllt’.- ‘Sind alle vernichtet worden?’, fragte er. ‘Ja, sind sie, Nur zwei Fotos habe ich behalten’, erwiderte ich. ‘Was soll mit denen geschehen?’, fragte Atatürk. ‘Wenn Sie es erlauben, möchte ich eins Seiner Exzellenz geben, eins möchte ich behalten’. ‘Was willst du mit den Fotos?’, fragte er. ‘Wenn Sie erlauben, möchte ich meine Memoiren niederschreiben’. Atatürk sagte ‘Gut, dann gib mir eins’. Ich gab’s ihm. Atatürk stieg aus dem Zug aus und machte sich auf dem Weg zum Volkshaus. Er fuhr nicht mit seinem Auto. Er ging mitten durch die Menge der ‘weißen Hosen’. Ich hatte meine Hände in den Hosentaschen, und hielt in jeder Hand jeweils eine Pistole. Die ‘weißen Hosen’ schauten, ohne etwas zu sagen. Sobald einer im Begriff war, einen Schritt zu machen, würden wir es verhindern. Atatürk kam endlich lebendig am Volkshaus an und machte sich auf dem Weg zur Brücke Singec Köprüsü. Ich war auch in der Truppe. Atatürks Sekretär Velid fragte mich ‘Hast du eine Aufgabe?’. Ich war schlecht drauf und antwortete: ‘Ich habe Ärger von Atatürk bekommen’. ‘Dann las uns nach Arap Baba in Harput gehen’, sagte er. Wir gingen und kehrten frühzeitig zurück. Atatürk kam abends von der Brücke Singec Köprüsü zurück. “
[Ihsan Sabri Çağlayangil, Anılarım, Seite 51-52, Yılmaz Yayınları, 1990]
In diesem Abschnitt wurde auf die Aussagen der Zeitzeugen verzichtet. Die Aussagen der Zeugen und der Überlebenden vom Dersim-Genozid werden später in einer Sonderausgabe der Weltöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Zum Beweis des Völkermordes an den DersimerInnen (alewitische Zazas) wurden in erster Linie Quellen der Gründer und der höchsten Repräsentanten des türkischen Staates herangezogen.
Beschluss des Ministerrats über
exemplarisch -abschreckende
Vernichtungsaktion Tuncelis im Jahre 1937
STRENG GEHEIM
BESCHLUSS
Das Ministerium 4. Mai 1937
Beschlussdirektorium
Beschluß-Nr.:
Mit der persönlichen Teilnahme des Atatürk und des Generalfeld-Marschalls (Fevzi Çakmak-Anmerkung des Übersetzers) am 04.05.1937 wurden die Protokolle über die Ereignisse in Tunceli genau untersucht und eingehend geprüft und der unten folgende. Beschluß gefasst:
1.
Die gesammelten Streitkräfte haben mittels eines starken und äußerst wirkungsvollen offensiven Angriffes über Nazımiye, Keçigezen (Aşağı Bor), Sin bis zur Grenze Karaoğlan anzukommen.
2.
Diesmal ist das aufständische Volk aus diesem Gebiet zu sammeln und in ein anderes Gebiet zu deportieren. Während dieser Zusammenlegungsaktion sind einerseits alle Waffen dort zu sammeln, andererseits die Festgenommenen mit der gleichen Intensität zu deportieren. Zum jetzigen Zeitpunkt sind seitens der Regierung alle Maßnahmen hinsichtlich der Deportation von 2000[2] Personen geschaffen worden.
ACHTUNG:
Wenn man sich nur mit Angriffsaktionen begnügen würde, würden die Aufstandsquellen für immer dort weiter existieren. Aus diesem Grunde sind alle, die eine Waffe benutzt haben und benutzten an Ort und Stelle bis zum Schluss in die Lage zu bringen, dass sie keinen Schaden mehr anrichten können[3] die Dörfer sind gänzlich zu vernichten und ihre Einwohner[4] zu deportieren.
Vermerk: Nach der Ankunft der Truppen aus Malatya und Ankara in das Kriegsgebiet und der Übung und Erholung der Kriegstruppen auf dem Kriegsfeld, außerdem Stationierung der Bataillonstruppe aus Diyarbakir in das Kriegsgebiet vergeht eine Woche, somit ist der geeignete Angriffsdatum der 12. Mai.
Vermerk: Ohne Rücksicht auf das Geld zu nehmen, muss versucht werden, so viele Menschen wie möglich aus ihnen zu gewinnen, um sie für das Ziel benutzen.
Unterschrift
Nr. 12: GESETZ ÜBER DIE VERWALTUNG DER PROVINZ TUNCELI
GENEHMIGUNGSDATUM: 25. DEZEMBER 1935
Veröffentlichung im Amtsblatt und Datum: 2. Januar 1936 - Nr.: 3195
Gesetz-Nr.: 2884
VERWALTUNGSTEIL
Paragraph 1
Es wird für die Provinz Tunceli eine Person im Rang des Generalleutnants zum Gouverneur und Kommandanten/Befehlshaber ernannt werden, der seine Beziehungen zur Armee aufrechterhalten wird und im Besitze aller Kompetenzen entsprechend seines Ranges ist.
Der Gouverneur und Kommandant wird, entsprechend der Regelung, mit der Bedingung der Zustimmung des Nationalen Verteidigungsministeriums aufgrund des Vorschlages des Innenministeriums und des Beschlusses des Ministerrates ernannt.
Dieser Gouverneur und Kommandant ist ebenfalls der Inspekteur des neu gebildeten Vierten Generalinspekteursamtes.
Paragraph 2
Der Gouverneur und Kommandant ist in seiner Provinztätigkeit im Besitze aller Kompetenzen, die auch gesetzlich den Ministern innerhalb ihrer Tätigkeit der Provinzverwaltung und über die Beamten der Provinzverwaltung zustehen.
Falls der Gouverneur und Kommandant es als erforderlich sieht, ändert er die Grenzen und Zentren der Kreise und Bezirke, die die Provinz darstellen und teilt diese Änderung dem Innenministerium mit.
Paragraph 3
Die Bürgermeister der Kreise und Kreisdirektoren dieser Provinz können, entsprechend der Regelung, nach Vorlage der Bestätigung des Verteidigungsministeriums, mit dem Vorschlag des Kommandanten und der Bestätigung des Innenministeriums mittels eines Beschlusses und mit der Bedingung, dass sie ihre Beziehungen zu der Armee fortsetzen, aus den Offizieren der Armee ernannt werden.
Die Gehälter und Ränge dieser Personen und der Offiziere bei der Provinzverwaltung bleiben weiter bestehen. Ihre Dienste hier zählen zu den Armeediensten und ihre Gehälter werden entsprechend ihres Ranges aus dem Etat des Verteidigungsministeriums gezahlt.
Paragraph 4
Die Kosten des Umzugs der Beamten und Diener, deren Ernennung durch den Gouverneur und Kommandanten erfolgt, werden übernommen.
Paragraph 5
Der Gouverneur und Kommandant macht gegenüber die Offiziersbeamten von seiner Ermächtigung der Festlegung von Disziplinarmaßnahmen Gebrauch, die die Militärgesetze ihm einräumen, um die strenge Disziplin in der Armeebeamtenschaft aufrechtzuerhalten.
Die übrigen Beamten betreffend, macht er direkten Gebrauch von seinen Rechten wie Gehaltskürzung, niedrigerer Rangeinstufung, die ansonsten außer der Warn- und Tadelungsstrafen, durch andere Gesetze von den Disziplinarkommissionen ausgeübt und die als Straftaten registriert werden. Die Zurückstufung in die niedrigere Klasse und Entlassung aus der Beamtenschaft werden nach den Beschlüssen der Disziplinarkommission durchgeführt.
Das Gesetz über das richterliche Urteil bleibet weiter bestehen. Aber der Gouverneur und Kommandant hat die Befugnis, die Gerichtsbeamten und -sekretäre nach der Verordnung für Richter, nachdem sie ebenfalls durch ihre Direktoren bestraft werden können, zu bestrafen.
Paragraph 6
Die Aufgabe des Generalprovinzrates unter der Leitung des Gouverneurs oder einer von ihm zu ernennenden Person übernimmt eine Kommission, die aus den Mitgliedern des Provinzverwaltungsrates und den Kreisdirektor der Kreisstädte besteht. Die Tätigkeit der ständigen Kommission unter der Leitung des Gouverneurs oder einer von diesem ernannten Person, wird von einem Ausschuss ausgeübt, der aus dem Finanz-, und Bildungsdirektor, Bebauungs- und Landverkehrsoberingenieur oder sonstigen diese Aufgaben ausführenden Personen besteht. Die Regeln des Sonderprovinzverwaltungsgesetzes haben ihre Gültigkeit.
Paragraph 7
Der Gouverneur und Kommandant kann die Aufgabe des Bürgermeisters, wenn es nach seiner Auffassung erforderlich ist, den Kreis- und Bezirksdirektoren der Kreisstädte übertragen.
RECHTSTEIL
ERSTER ABSCHNITT
ERMITTLUNGSVERFAHREN
Paragraph 8 (...)
Paragraph 9
Die Staatsanwälte der Republik machen beim Ermittlungsverfahren von denselben Rechten Gebrauch, die auch den Ermittlungsrichtern zustehen.
Paragraph 10
Beim Ermittlungsverfahren können die Staatsanwälte der Republik die Angeklagten und die Zeugen getrennt oder zusammen gegenüberstellen.
ZWEITER ABSCHNITT
VERFAHRENSREGELN DES ÖFFENTLICHEN RECHTS
Paragraph 11
Die Staatsanwälte der Republik können die Angelegenheiten, bei denen sie eine Vorermittlung nicht als notwendig ansehen, mittels der Anklageschrift direkt an das Gericht zuleiten. Die Staatsanwälte können sogar bei den Angelegenheiten, bei denen die Vorermittlung per Gesetz zwingend vorgeschrieben ist, von dieser Ermächtigung Gebrauch machen.
Paragraph 12
Die Ermächtigung über die Genehmigungserteilung einer Verfahrenseröffnung bei den Rechtsstreitigkeiten, die einer Genehmigung bedürfen, unterliegt dem Gouverneur und Kommandanten.
DRITTER ABSCHNITT
VORERMITTLUNG
Paragraph 13
Die Berufung der Bestimmungen hinsichtlich der Ablehnung des Richters seitens des Angeklagten sind ausgeschlossen.
Paragraph 14
Die Vorermittlung im Beisein des Schreibers durch die Staatsanwälte der Republik darf nicht bei der Erstermittlung wiederholt werden.
Paragraph 15
Es darf nicht gegen den Beschluss der Eröffnung des Erstermittlungsverfahrens widersprochen werden.
Paragraph 16
Über die im Paragraph 10 aufgeführte Berechtigung verfügt auch der Vernehmungsrichter.
Paragraph 17
Die Staatsanwälte sind verpflichtet, die Anklageschrift innerhalb von zwei Tagen nach Abschluss der Vorermittlung niederzuschreiben.
Paragraph 18
Die Anklageschrift wird nicht dem Angeklagten erteilt.
Paragraph 19
Die Ermittlung der die schweren Bestrafung erfordernden Delikte findet unter der Festnahme des Angeklagten statt, und die Bestimmungen über die Freilassung des Festgenommenen vor dem Prozess unterliegen der Genehmigung des Gouverneurs.
Paragraph 20
Die Forderungen des Angeklagten über die Wiederherstellung des Erstzustandes ist ausgeschlossen.
Paragraph 21
Das Berufungsrecht über das Verhaftungsurteil bei der Erstermittlung seitens des Angeklagten ist ausgeschlossen.
VIERTER ABSCHNITT
GERICHTSVERHANDLUNG
Paragraph 22 (...)
Paragraph 23
Die Bestimmungen der Paragraphen 13, 19 und 21 werden auch bei der Gerichtsverhandlung angewandt.
Paragraph 24
Eine Verspätung zwingende Situationen ausgenommen, erfolgt die erforderliche Zustellung und innerhalb von fünf Tagen nach der Zustellung der Anklageschrift findet die Gerichtsverhandlung statt.
Falls der Angeklagte mit erwiesenen Beweismitteln verklagt wird, wird sofort nach der Gerichtsverhandlung ein Urteil gefällt. Liegen keine Hindernisgründe vor, wird der Prozess nach der ersten Gerichtsverhandlung abgeschlossen. Der Staatsanwalt der Republik ist verpflichtet seine Anklage bei derselben Gerichtsverhandlung vorzutragen.
Paragraph 25
Falls Verschiebungs- oder Vertagungsfristen nicht erforderlich sind, vergehen nicht mehr als fünf Tage.
Paragraph 26
Ist der Staatsanwalt der Republik der gleichen Auffassung, genügt es, dass die Zeugenaussagen, die durch die Staatsanwälte der Republik und den Vernehmungsrichter bei der Erstermittlung festgestellt wurden, nur vorgelesen und somit akzeptiert zu werden.
Paragraph 27
Nach der Sammlung der Beweise teilt der Staatsanwalt der Republik sofort die Beschuldigung/Anklage dem Gericht mit. Aus Gründen, wie die Dauer des Prozesses in mehreren Gerichtsverhandlungen und der Erfordernis der Bearbeitung der Akte, kann dem Staatsanwalt der Republik eine Frist von fünf Tagen gewährt werden, um die Beschuldigung vorzubereiten.
Paragraph 28
Um die Verteidigung vorzubereiten, kann dem Angeklagten und seinem Verteidiger eine Frist von zwei Tagen gewährt werden. Das Urteil ist innerhalb von drei Tagen nach Abschluss der Gerichtsverhandlung mitzuteilen.
Paragraph 29
Für die innerhalb der Provinz in den Strafgerichten gefällten Urteile gilt nicht das Berufungsrecht, und diese sind nicht unanfechtbar.
Paragraph 30 (...)
FÜNFTER ABSCHNITT
VERSCHIEDENE BESTIMMUNGEN
Paragraph 31
Falls es aus Sicht des Gouverneurs und Kommandanten aus Sicherheitsgründen erforderlich ist, ist er ermächtigt, die Deportierung der Personen und Familien aus den Einwohnern und ihre Angehörigen von einem Ort zum anderen innerhalb der Provinz anzuordnen oder das Wohnen der genannten Personenkreise innerhalb der Provinzgrenze zu verbieten.
Paragraph 32
Der Gouverneur und Kommandant ist berechtigt, die strafrechtliche Verfolgung einer Person aufzuschieben oder die Strafaufhebung zu beschließen.
Diese Aufschiebung oder Aufhebung verhindert nicht Regelung über die Verjährungsfristen.
Paragraph 33
Solange der Gouverneur und Kommandant eine Aufhebung der Strafe nicht als erforderlich ansieht, wird befohlen, die Todesstrafe zu vollstrecken.
Paragraph 34
Falls Bewohner von Tunceli in Elazig, Malatya, Sivas, Erzincan, Erzurum, Gümüshane, Bingöl Straftaten nach dem Strafgesetz der Türkischen Republik vergangen haben und wenn diese festgestellten Straftaten in einem Zusammenhang mit den Straftaten innerhalb der Provinz Tunceli stehen, werden die Straftäter und ihre Gehilfen nach diesem Gesetz durch die Behörden und Gerichte in Tunceli strafrechtlich verfolgt.
Paragraph 35
Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind rückwirkend wirksam.
Paragraph 36 (...)
Paragraph 37
Dieses Gesetz ist vom Veröffentlichungsdatum an bis 1. Januar 1940 gültig.
Paragraph 38
Diese Gesetzesbestimmungen werden durch den Ministerausschuss durchgeführt.
31.12.1935[5]
[1] Beisitzer bei der Hinrichtung.
[2] Die Zahl ”2000 Personen” umfasst nur die führende Persönlichkeiten des Volkes-Anmerkung des Übersetzers. Quelle: M.Kalman, Belge ve Taniklariyla Dersim Direnisleri, Nujen Yayinlari, Oktober 1995, Istanbul, Seite 180-195
[3] Gemeint ist, dass sie zu vernichten sind - Anmerkung des Übersetzers.
[4] Die meisten Einwohner wurden mit Maschinengewehren ermordet und verbrannt - Anmerkung des Übersetzers
[5] Ergänzung: Die o.g. Gesetzesbestimmungen wurden mit dem erlas von verschiedenen Gesetzen bis Ende 1946 verlängert